Jugendsünden

In der Unterstufe des Gymnasiums errang ich den zweifelhaften Titel ‚Haus- und Hofdichter‘, weil ich zwei Krippenspiele schrieb. Die Reime, die ich dabei fabrizierte, sind eher der Kategorie ‚kindliche Vergehen‘ zuzuordnen als ernst zu nehmender Lyrik. In meiner elfjährigen Unverfrorenheit scheute ich nicht davor zurück, mangels Mädchen in der Klasse selbst die Maria darzustellen. In einem blauen Umhang und mit einem Heiligenschein aus Pappendeckel über dem Kopf sorgte ich für Belustigung bei den älteren Semestern und für Beschämung bei meiner um sechs Jahre älteren Schwester. Vor allem mit dem folgenden Textzitat brachte ich sie bei ihren Mitschülerinnen in Verlegenheit:

“Josef, Josef, komm geschwind, in der Krippe liegt ein Kind!“

In den darauffolgenden Jahren schrieb ich eine Kurzgeschichte und eine Vielzahl von Gedichten, die allesamt dem Vergessen anheimgefallen sind. Auch meine ersten Eigenkompositionen waren nach eher einfachen Mustern gestrickt. Erst bei den Liedern meiner romantischen Rockoper erreichte ich einen kompositorischen Standard, der über die gängigen Akkordmuster hinauswuchs.

Musikalische Ausbildung

Meine musikalische Ausbildung zog sich mit etlichen Unterbrechungen über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten. Vieles brachte ich mir autodidaktisch bei, ebenso viel habe ich Lehrern zu verdanken, die mich auf besondere Weise prägten. Hervorheben möchte ich Wolfram Foelsche, der mir als Gesangslehrer zum Leitbild wurde und mir menschlich wie künstlerisch unendlich viel vermittelt hat. Besonders beeindruckt haben mich seine niemals versiegende Geduld und seine stoische Ruhe, wenn ich nach einem langen Unterrichtstag nicht viel mehr als ein Krächzen zustande brachte. Zwei seiner Grundsätze prägten mein musikalisches Schaffen:

“Aus dem Wort entsteht die Musik!“

Alle meine größeren Werke sind auf diese Weise entstanden: Ich ließ den Text auf meine Seele wirken und irgendwann strömten die Töne aus mir hervor. Ähnlich wie Regentropfen aus einem Wolkenmeer eine Quelle speisen, wodurch der Kreislauf des Wassers beginnt.

“Stimme kommt von Stimmung!“

Mein Gesangslehrer lehrte mich neben der Technik das Prinzip, im richtigen Moment die entscheidenden Register zu ziehen. Wer nur Töne von sich gibt, ohne den Sinn der Worte im Klang der Stimme zu erfassen, wird niemals ein herausragender Sänger sein. Technische Perfektion kann beeindrucken, die Fähigkeit hingegen, Gefühle auszudrücken, berührt die Seele.

Danken möchte ich außerdem Evita Evangelist, die sich viel Mühe gegeben hat, um mir die Schlampigkeit beim Klavierspiel auszutreiben. Die offenen Gespräche mit ihr über die Musik, die Liebe und das Leben haben mir als Mensch und Künstler wichtige Impulse gegeben.

Der Dritte im Bunde ist Günter Theil, der mich durch sein jazziges Klavierspiel beeindruckt hat, und mir in der Kompositionstechnik ein geduldiger Lehrer war. Er hatte wesentlichen Anteil an der Entstehung meiner Rockoper und hat mir interessante Wege aufgezeigt, Melodiebögen in Harmonien umzusetzen.

Rockoper

Mein erstes großes Projekt war die romantische Rockoper ‚Der Traum eines Lebens‘. Das dramaturgische Konzept war einfach gestrickt:

Der Chemiestudent David lernt die Popsängerin Judith kennen und lieben. Zusammen verwirklichen sie ihren Traum von einer erfolgreichen musikalischen Karriere. Am Zenit ihrer Erfolge erkennt David, dass die Showszene nicht durch Gefühle, sondern ausschließlich durch finanzielle Überlegungen gesteuert wird. Außerdem hat sich Judith durch den Erfolg verändert. Sie genießt es, ein Star zu sein, und David ist für sie nur noch ein Mann unter vielen. Enttäuscht zieht er sich zurück, beendet sein Studium und heiratet die Tochter eines befreundeten Chemikers. Sie schenkt ihm das Vertrauen, das er sich immer ersehnt hat. Als ihm eines Tages Judith über den Weg läuft, brechen alte Gefühle hervor und David betrügt seine Gattin. Da er seine hohen Ansprüche an Liebe und Treue selbst zerstört hat, endet sein Traum.

Im Grunde war die Rockoper nur eine Aneinanderreihung von Liedern, verbunden durch kurze gesprochene Texte. Den musikalischen Part übernahmen eine Rockgruppe, ein kleines Streichorchester und eine Holzbläsergruppe. Den vier Solisten stand ein zehnköpfiger Chor zur Seite. Da die beiden Aufführungen in Eigenregie durchgeführt wurden, war der organisatorische Aufwand ungeheuer.

Rückblickend war ‚Der Traum eines Lebens‘ eine lehrreiche persönliche Erfahrung mit vielen Highlights und ebenso vielen Enttäuschungen. Einige Lieder daraus, wie ‚Die Einsamkeit‘, ‚Illusionen‘ oder ‚Wo bist du?‘ halte ich auch 30 Jahre später für gelungen.

Wandel

Nachdem ich mich von der Band ‚Love a dream‘ getrennt hatte, fand ich immer größeren Gefallen an der klassischen Musik, vornehmlich am Liedgesang. Richtungweisend war für mich eine Aufführung der ‚Winterreise‘ durch meinen Lehrer Wolfram Foelsche. Seine eindringliche Interpretation dieses Meisterwerks beeindruckte mich so sehr, dass ich in den darauffolgenden Jahren Hunderte Lieder von Franz Schubert einstudierte und zum Teil zur Aufführung brachte.

In dieser Zeit entdeckte ich auch meine Liebe für die Chansons von Reinhard Mey, vor allem für seine tiefgründigen Texte. Lieder wie ‚Es bleibt eine Narbe zurück‘ oder ‚Der irrende Narr‘ zählen noch heute zu meinem Standardrepertoire.

Mein wachsender musikalischer Anspruch trieb mich dazu, ernste Werke zu komponieren. Außerdem vertonte ich etliche Gedichte moderner Lyriker. Ich schraubte meine Ziele ständig höher, ohne zu bedenken, dass sich meine künstlerischen Ambitionen mit Beruf und Familie nicht mehr vereinbaren ließen. Irgendwann kam der Zeitpunkt, wo ich mich für eine Seite entscheiden musste. Die Wahl fiel mir nicht leicht, doch die Verantwortung für drei Kinder war zu groß, um finanzielle Risiken einzugehen. Anstelle neuer Kompositionen schrieb ich Arbeitsunterlagen und Bücher für den EDV-Unterricht.

2008 entdeckte ich die Liebe zur Kunst wieder. Ich verfasste meinen ersten Fantasyroman, der in einschlägigen Foren viele begeisterte Leser fand. Daraufhin kam mir der übermütige Gedanke, eine eigene Welt zu kreieren: http://www.gordea.eu war geboren.

Die Stunden eines Tages

Der Gipfel meiner kompositorischen Tätigkeit war das Werk ‚Die Stunden eines Tages‘, ein modernes Oratorium für Solisten, Chor und Orchester. Die Uraufführung fand im Jahr 1987 in Hartberg statt, danach folgten Bruck an der Mur und Leoben. Knapp hundert Personen waren daran beteiligt, wodurch menschliche Probleme beinahe die künstlerische Arbeit überschatteten.

Der Aufwand, den ich dafür betriebe habe, war enorm. Für den Text studierte ich das Neue Testament, aus dem ich geeignete Passagen für die ‚Stimme der Bibel‘ auswählte. Der restliche Inhalt stammte aus meiner eigenen Feder. Danach folgten die Vertonung und die Instrumentierung, mehr als 500 Stunden verbrachte ich mit dem Schreiben der Partitur und der Auszüge für die einzelnen Instrumente. Seither blicke ich voller Ungläubigkeit und Bewunderung auf musikalische Genies wie Mozart, die innerhalb weniger Wochen vollständige Opern verfassten.

Die drei Aufführungen fanden in Eigenregie statt. Vom Aufstellen der Bühne für den Chor bis zum Organisieren der Pauken hatte ich meine Hände im Spiel, musste mich um die Auszahlung der Musiker kümmern und um die Abgaben an die Gemeinden und an die AKM. Da ich selbst den Tenorpart übernahm, war ich nach getaner Arbeit zum Umfallen müde.

Alle Namen zu erwähnen, die sich um dieses Werk bemüht haben, wäre schlichtweg unmöglich. Deshalb möchte ich in Vertretung aller anderen Wolfgang Löschberger nennen, der damals als Musikschuldirektor der Stadt Hartberg die musikalischen Fäden zog.

Trotz aller Schwierigkeiten gehören die drei Aufführungen zu den absoluten Highlights in meinem Leben. Die Musik, die sich aus dem innersten Kern der Seele ihren Weg nach außen bahnt, in nahezu vollendeter Form im festlichen Rahmen einer Kirche zu hören, war für mich ein unvergessliches Erlebnis.